Baukultur im Mittelalter
Die Baukunst im Mittelalter wird hauptsächlich mit den Begriffen „Romanik“ und „Gotik“ verbunden. Oft fallen in diesem Zusammenhang sofort Worte wie „Rund-“ und „Spitzbogen“ zur Unterscheidung der beiden Epochen. Doch die mittelalterliche Baukunst hat durchaus mehr zu bieten als die oberflächliche Einordnung von Fensterformen und überliefert uns eine reiche Formensprache, die sich durch eine bloße Einteilung in zwei Epochen nicht vollständig erfassen lässt. Die Romanik bildet sich aus einem langen Entwicklungsprozess von Aneignung und Umformung der antiken Formenwelt heraus, diese Phase wird als Vorromanik bezeichnet.
In Deutschland werden die Vorromanik und die Romanik nochmals untergliedert in die jeweiligen Herrscherdynastien. In der Vorromanik sind das die Karolingische (750 – 920) und die Ottonische Architektur (920 – 1024) und in der Romanik die Salische (1024 – 1125) und Staufische Architektur (1138 – 1254).
Das Ende der Romanik fällt mit dem Ende der staufischen Herrschaft zusammen, obgleich es schon vorher vereinzelt Gotik-Rezeptionen gegeben hat (in Frankreich beginnt die Gotik rund 100 Jahre früher). Somit überschneidet sich die Frühgotik (1225 – 50) mit der Staufischen Architektur, man bezeichnet diese Phase auch als „Übergangsstil“.
Von Hochgotik redet man ab der Mitte des 13. Jh. und ab 1350 setzt die Spätgotik ein, die bis 1520 reicht. Die erhaltenen Denkmäler zeigen, dass die mittelalterliche Architektur vor Allem dem sakralen Bereich angehört, im profanen Bereich sind es königliche und bischöfliche Pfalzen, sowie Festungen und Burgen. Ebenso sind Reste vom städtischen Wohnbau erhalten. Im Hinblick auf die Baukunst und den Einsatz künstlerischer Mittel bleiben die Profanbauten jedoch weit hinter den sakralen Bauten zurück.
Mit Karl dem Großen, dem ersten deutsch-römischen Kaiser (Kaiserkrönung 800), findet ein Aufschwung in der Kultur und Baukunst des frühen Mittelalters statt. Dieser Aufschwung ist begründet durch das Streben Karls, sich als Fortsetzung des römischen Imperiums zu legitimieren. Das Anknüpfen an die römische Antike zur Zeit der Karolinger wird daher als „karolingischen Renaissance“ (750-920) bezeichnet. In der Architektur werden Formen der Spätantike aufgenommen und in die Bauten eingebracht, es entstehen monumentale Bauten antiker Größe, die alles übertreffen, was in den vorangegangenen 300 Jahren gebaut worden ist. Die meisten Bauten entstehen in Ostfranken, der Sakralbau überwiegt eindeutig den Profanbau. Erhalten sind leider nur wenige Bauwerke.
Die Form der Basilika mit einem höheren Hauptschiff und zwei niedrigeren Seitenschiffen wird zum Prototyp karolingischer Kirchen. Zur Zeit der Spätantike war die dreischiffige Basilika die gebräuchliche Form der Gemeindekirchen, während in der Völkerwanderungszeit und der merowingischen Epoche eine Reduktion der hochentwickelten Kirchenform stattfand und die einfachere Saalkirche bevorzugt wurde. Die karolingische Architektur nimmt die basilikale Form spätrömischer Kirchen wieder auf und schafft somit eine Grundlage für deren Entwicklung in der Romanik. Als karolingische Eigenschöpfung ist hierbei das Westwerk in Form eines mehrgeschossigen Vorbaus zu nennen, in dem Kaiser und Hofstaat dem Gottesdienst beiwohnen konnten. Eine weitere entscheidende Neuerung der karolingischen Baukunst ist die Doppelchörigkeit, bei welcher zu dem üblichen Chor im Osten ein weiterer Chor im Westen kommt. Neben den karolingischen Basiliken tritt auch der bisher im Westen weniger geläufige Typ des Zentralbaus wieder hervor, einen Höhepunkt bildet die Pfalzkirche in Aachen. Sie ist der erste, für Karl programmatische Bau und repräsentiert den Herrschaftsanspruch des neuen Reiches. Die Zentralgestalt des Baus leitet sich von byzantinisch-ravennatischen Vorbildern ab (SanVitale in Ravenna), sogar die verwendeten Kapitelle und Säulen stammen aus Ravenna. Ein weiteres bedeutendes Bauwerk ist außerdem die erhaltene Torhalle im Kloster Lorsch, welche durch eine Blendarchitektur nach den Vorbildern römischer Triumphbögen gegliedert ist.
Entscheidend für die Zukunft wird auch die Klosteranlage. Der St. Gallener Klosterplan ist die einzige erhaltene Planzeichnung im frühen Mittelalter und stellt wahrscheinlich eine im Kloster Reichenau angefertigte Kopie eines Ideal-Entwurfes dar, der allerdings nicht realisiert wurde, aber dennoch zeigt, dass die Klosterordnung in karolingischer Zeit bereits fest ausgeprägt war.
Die Epoche der Ottonen (919-1024) beginnt mit Heinrich I. im Jahre 919, indem erstmals ein Geschlecht der Sachsen zur Herrschaft über das ehemals karolingische Ostfrankenreich gelangt. Dies bedeutet einerseits die Fortsetzung der Tradition der Karolinger, andererseits aber auch mit der Kaiserkrönung Ottos I. 962 den Anfang des Heiligen Römischen Reiches, des Imperium Romanum, das später den Zusatztitel „deutscher Nation“ erlangte. Seit der Jahrtausendwende gehen von den Ottonen bauliche Entwicklungen im Sakralbau aus, die durch Weiterentwicklung der karolingischen Architektur den Formenkanon der Romanik bereitstellen. In den Bauwerken kommt es zu einer gesteigerten Größe. Bauliche Entwicklung Doppelchoranlagen, ausgeschiedene Vierung und Stützenwechsel Anknüpfend an die karolingische Architektur entstehen Großbauten in Form von Doppelchoranlagen, bei welchen dem üblichen Chor einer Basilika im Osten noch ein weiterer Chor im Westen vorgesetzt wird. Die Doppelchoranlagen bleiben oft verbindlich für die romanischen Nachfolgebauten im Reichsgebiet und bleiben als Charakteristikum der Romanik im deutschsprachigen Raum beschränkt. Die einzelnen Bauteile folgen dem „additiven“ Prinzip, bei dem der Baukörper aus aneinander geschobenen und gestaffelten Teilkörpern besteht, die selbstständig durchgebildet sind. Eine ottonische Entwicklung stellt die „ausgeschiede Vierung“ mit bekrönendem Turm dar, die sich im 11. Jh. durchzusetzen beginnt. Hierbei wird der Raum zwischen Querhaus und Langhaus durch vier Bögen zu den umgebenden Raumteilen „ausgeschieden“. In der Romanik wird das Vierungsquadrat zur Maßeinheit für den Bau („gebundenes System“), dies zeichnet sich schon in der Ottonik durch einen Wechsel der Stützen aus Pfeilern und Säulen ab, durch welchen das Langhaus im Grundriss in gleich große Elementeaufgeteilt wird. Bauschmuck Äußere Gliederungselemente, die später in der Romanik hinzukommen, fehlen noch weitgehend, im Inneren erscheint der Bogen als tragendes, trennendes und ornamentales Motiv. Für die präzise Überleitung von der Säule zum Bogen treten erstmals die Würfelkapitelle auf, die für die Romanik vorbildhaft werden.
Als Paradebeispiel der Ottonik kann der Bau von St. Michael in Hildesheim gesehen werden, einer der wenigen erhaltenen Bauten der Epoche (Weihe 1022). Es handelt sich bei dem Bau um eine Doppelchoranlage mit zwei Querhäusern, zwei Vierungstürmen, vier Treppentürmen und Hallenkrypta. Hier ist erstmals der sächsische Stützenwechsel gegeben durch die Folge jeweils zweier Säulen nach einem Pfeiler. Dieser Wechsel wird zu einem typischen Merkmal der sächsischen Bauschule. St. Michael in Hildesheim ist der älteste erhaltene Bau mit ausgeschiedener Vierung und hier begegnen auch zum ersten Mal Würfelkapitelle.
Der Begriff Romanik entwickelte sich im 19. Jh aus der falschen Vorstellung heraus, dass sich die mittelalterliche Kunst direkt aus der römischen Baukunst entwickelt habe. Sie ist aber kein Ausläufer der spätantik-frühchristlichen Epoche, sondern entstand nach einem langen Prozess von Aneignung, Umformung und Ablösung zu einem eigenständigen Kunststil mit innovativem Formenschatz. Die deutsche Romanik ging aus der ottonischen Architektur hervor. Eine Definition des Stilbegriffes ist aufgrund von Ausnahmen und gegenläufigen Entwicklungen schwierig, im Allgemeinen kann man trotz gegensätzlicher Erscheinungsformen eine übergreifende Charakteristik der Romanik feststellen: Ausgangspunkt ist der Steinbau, verbunden mit allgemein angewandten Bauformen wie Rundbogen und Würfelkapitell mit Abwandlungen. Blockhaftigkeit, Schwere, Wucht und Wehrhaftigkeit sind bestimmende Merkmale der romanischen Architektur. Allgemein kommt es zu einer Bereicherung der Innen- und Außengliederung, einer plastischen Durchformung der Mauerstärken, der Verwendung des Gewölbebaus und Geschossgliederung. Die monumentale Gesamtwirkung entsteht aus der Summe klar definierter Einzelteile. Während des 11. Jh. entfalten sich in der romanischen Architektur Regionalschulen, die im 12. Jh. ihren Höhepunkt erreichen. Sie zeichnen sich durch bestimmte Bauschemata aus, die an einigen Bauten der jeweiligen Region auftreten. Unter den deutschen Schulen sind die wichtigsten die niederrheinische (Merkmale: Basilika, Emporen, gebundenes System, Dreikonchenanlagen, Zwerggalerien), die westfälische (Merkmale: Basilika, beim Übergangsstil häufiger Hallenkirchen, machtvolle wenig gegliederte Türme, runde Flankentürme, massige Pfeiler mit dicken Vorlagen, Westbauten mit Mittelturmaufsatz und/oder Ecktürmen), die niedersächsische (Merkmale: Basilika mit Stützenwechsel, flache Decke, dreiteiliger Chor, Flankentürme, mächtige Westbauten mit Mittelturm und /oder Flankentürmen) und die oberrheinische (Kaiserdome, Basilika, Doppelchoranlagen, gebundenes System, Zwerggalerien). Neben den Regionalschulen entstehen auch die Bauschulen der Reformorden, die aufgrund von geistigen und liturgischen Ordnungen einen bestimmten Baukanon befolgen. (Hirsauer Reform, Zisterzienserbaukunst s.u.). Salische Architektur Von 1024 bis 1125 ist die Zeit der salischen Kaiser. Einerseits herrschen in diesem Jahrhundert große politische Spannungen (Investiturstreit), andererseits kommt es aber auch zu bedeutenden Leistungen in der Baukunst. Das Stammesgebiet der Salier lag am Mittelrhein, somit gab es eine Schwerpunktverlagerung der Architektur auf dieses Gebiet. In salischer Zeit entstehen seit dem 11. Jh. die großen Kaiserdome in Speyer, Mainz und Worms. Die Kaiserdome werden als die größten Leistungen der deutschen Romanik angesehen und vor allem Speyer gilt als Höhepunkt der kaiserlichen Machtdemonstration der salischen Kaiser. Die von Kaiser Konrad begonnene (um 1030) und anfangs noch flach gedeckte Basilika war zu gewaltiger Höhe gesteigert und wurde unter Heinrich IV. mit Kreuzgratgewölben ausgestattet.
Dem Speyrer Dom ist die Einführung des Gewölbebaus, die Entwicklung komplizierter zweischaliger Wandsysteme (Zwerggalerien) und die konsequente Verwendung von Großquaderwerk am Außenbau zu verdanken. Beachtlich ist auch die Durchgliederung der hoch aufragenden Mittelschiffswände mit einem stark hervortetenden Relief aus vorgelegten Halbsäulen und Blendbögen. Die Mittelschiffswände mit ihrer vertikalen Tendenz und den enorm gestrecktenHalbsäulen gelten als Ankündigung eines gotischen Bauverständnisses. Fotografie des Gewölbes im Speyrer Doms von Innen. Gewölbe des Doms zu Speyer.
Die staufische Architektur ist die Bezeichnung der romanischen Architektur während der Regierungszeit der Staufer von 1138-1254 im Anschluss an die Periode der Salier. Das Ende der staufischen Architektur ist gleichzeitig das Ende der Romanik, wobei in den letzten Jahren auch gotische Elemente miteinbezogen werden. Durch die Blüte der höfischen Kultur werden auch Pfalzen, Burgen und Städte zu wichtigen Bauaufgaben. Im Sakralbau wird an den rheinischen Domen wieder Hochbedeutendes geleistet, vor Allem aber gibt es in der Staufischen Architektur eine Zunahme von Gliederungsmotiven und Bauschmuck.
Eine große Rolle in der romanischen Baukunst spielen im Gegenzug zu den Kaiserdomen die Reformbewegungen der Orden, eine besondere Bedeutung kommt dabei der Gründung der burgundischen Benediktinerabtei Cluny zu. Cluny wurde zum Haupt einer großen Organisation, der fast 2000 Klöster angehörten. Die von Cluny ausgehende Reform hat sich in der Baukunst der Romanik auch stark auf Deutschland ausgewirkt. Sie schuf die Grundlagen, auf dem die gregorianische Reform wachsen konnte und bildete die Voraussetzung für den Machtanspruch des Papsttums im Mittelalter. Die clunyazensischen Reformideen werden seit 1079 von Hirsau aus im deutschsprachigen Raum verbreitet. Die Merkmale der sogenannten Hirsauer Bauschule treten bei zahlreichen deutschen Stiftskirchen vor allem im sächsisch-thüringischen Bereich auf und nehmen eine Sonderrolle in der deutschen romanischen Baukunst ein. Die Grundhaltung lag zum einen in der monumentalen Strenge und Schmucklosigkeit und zum anderen in der Raumeinteilung, die für besondere liturgische Bedürfnisse ausgerichtet war. Zu den wichtigsten Merkmalen gehört die flach gedeckte Säulenbasilika mit Staffelchor, ausgeschiedener Vierung als chorus major, östlichem Langhausjoch als chorus minor, westlicher Vorkirche mit Türmen und der Verzicht auf eine Krypta. Kirchen mit diesen Merkmalen sind vor Allem die aufeinander folgenden Bauten St. Aurelius (Hirsau I, 1059-71) und St. Peter und Paul (Hirsau II 1082-91), Alpirsbach (1102/05 gegründet) und die spätere Ruine von Paulinzella (1112-32). An der flachgedeckten Säulenbasilika ist im 12. Jh. über die Ordensarchitektur hinaus vor Allem in Niedersachsen und im Südosten festgehalten worden, diese Gebiete standen im Investiturstreit auf Seiten des Papstes. Schwarz-Weiß-Fotografie des Mainzer Doms von 1890 - 1900. Der Dom zu Mainz. Fotografie Um 1890 – 1900. Im 12. Jh. lässt der Einfluss von Cluny nach und an ihre Stelle tritt der 1098 gegründete Zisterzienserorden, bei welchem sich die Architektur nach strengen Bauvorschriften richtete und gemäß der Ordensorganisation auf Einfachheit und Askese ausgerichtet war. Die Kirchen haben demnach keinen figürlichen Schmuck oder bunte Glasfenster, dafür aber außerordentlich sorgfältige Steinmetzarbeiten. Sie verzichtet zudem auf machtvolle Turmgruppen (nur Dachreiter), Krypta und Emporen und entwickelt einen Grundriss mit geradem Chroabschluss. Die Ausbreitung des Ordens fiel mit den Anfängen der Gotik zusammen, daher wurden sie für Deutschland auch die ersten Mittler frühgotischer Architekturformen.
Die Grundrisse der romanischen Kirchen folgten den in der Vorzeit vorgegebenen Bauten, eine Weiterentwicklung gab es vor Allem im Bereich des Ostteils der Kirche, dem Chor. Dies war nötig durch einen zunehmenden Pilgeransturm und bereicherte Liturgien aufgrund von Klosterreformen. An das Querhaus schließen sich nun Apsiden, oder das Querhaus ist in Form des Chorschlusses gehalten (Dreikonchenschluss). Einen wichtigen Teil der romanischen Kirchen stellen die Krypten dar. Die im Osten der Kirche gelegenen unterirdischen Räume dienten zur Aufbewahrung von Reliquien oder als Grabstätte für geistliche oder weltliche Würdenträger. Die Krypten haben ihre Tradition aus der frühchristlichen Zeit, in der sie als Märtyrerstätte diente. In der deutschen Hochromanik weiten sich die Krypten zu großen Hallen aus („Hallenkrypten“). Sie sind meist dreischiffig, gewölbt mit tragenden Säulen und erstrecken sich teilweise bis unter Vierung und Querhausarme. Wegen ihrer oft bedeutenden Höhe musste der Chor höhergelegt werden, was zu einer neuen Raumerscheinung im Inneren kommt. Das schon in der Ottonik angelegte gebundene System findet in der Romanik seine Vollendung, indem die Raumeinheiten in einem genau berechneten Proportionsverhältnis zueinander stehen. Der Raum wird durch regelmäßige „Joche“ gegliedert, welche jeweils den Abstand zwischen zwei Stützen bedeuten. Im gebundenen System kommen auf jeweils ein Mittelschiffsjoch zwei Seitenschiffsjoche. Ausschlaggebend für diese Raumeinteilung war die Weiterentwicklung des Gewölbes. Wo anfänglich noch Holzdecken oder Tonnengewölbe ihren Platz hatten, wird nun jedes Joch durch ein so genanntes Kreuzgratgewölbe überspannt. Dieses Gewölbe besteht aus einer Durchdringung zweier Tonnen. Eine weiterentwickelte Form dieses Gewölbes ist das Kreuzrippengewölbe, das an den Graten zusätzlich Steinbögen aufweist. Durch die Einteilung des Raumes in gewölbte Joche entsteht eine regelmäßige Raumkomposition: Die Querbogen zwischen den Jochen, Halbsäulen und Pilaster unterteilen den Raum vertikal, Gesimse und Kämpfer gliedern ihn horizontal.Neben weiteren Wandgliederungselementen wie Lisenen und Blendbögen schmücken auch plastische Ornamentfriese und figürliche Bildwerke die Grenzzonen der Wände und Kapitelle. Ein wichtiger Ansatzpunkt für die Bauplastik war auch das Portal, welches sich vom einfachen Laibungsportal zum schräg eingeschnittenen Gewändeportal entwickelte. Der somit geschaffene Raum bietet Platz für Säulen, Nischen und später auch Figuren. Während in der Romanik andernorts am Außenbau die Portalzone oft mit Figuren geschmückt ist, wird in Deutschland selten das Portal, sondern häufiger das Kircheninnere mit Figuren ausgestattet. Platz finden sie vor Allem an Chorschranken und Lettnern, welche den Altarraum vom Gemeinderaum abgrenzen. Am Außenbau werden des Weiteren die Türme zum beherrschenden romanischen Bauelement, bei den Bauten finden sich Einzelturm, Doppelturmfassaden oder reiche Turmgruppierungen, vor allem die letztgenannten bilden eine Eigenart deutscher Romanik (Bsp. Mainz, Worms). (Mainzer Dom)
Ihren Namen verdankt die Epoche der früheren Auffassung, dass dem goldenen Zeitalter der Antike ein barbarisches Mittelalter gefolgt sei. Obwohl man den Begriff übernommen hat, ist man sich heute bewusst, dass die Gotik mit ihrer eigenen Formensprache einen Höhepunkt und gleichzeitig den Abschluss des christlichen Mittelalters bildet. Das Ursprungsland der Gotik ist Frankreich. Während der Stil hier schon in der Mitte des 12. Jh. einsetzte, hielt die Baukunst in Deutschland im 13. Jh. noch lange an den alten Grundformen fest. So entstand eine Phase von fast 100 Jahren, in denen sich das Festhalten an romanischen Grundformen mit Rezeptionen der Gotik vermischt. Diese Zeit wird auch „Übergangsstil“ genannt. Dieser Phase folgte jedoch keine einheitliche deutsche Bauweise, vielmehr kam es zu einer Ausformung vielfältiger Sonderbildungen, die regional übergreifend aber auch örtlich begrenzt sein können und sogar innerhalb eines Gebäude zu einer großen Spannweite gegensätzlicher Baubildungen führen.. Dieses uneinheitliche Bild kennzeichnet die deutsche Baukunst im Hochmittelalter und hielt bis in die Endphase an. Die Ursachen dieser Vielfältigkeit liegen einerseits an dem Fortwirken örtlicher Traditionen, andererseits an außerdeutschen Bauvorbildern und Einflüssen. Frühgotik Während in Frankreich eine gliederbauliche und raumverbindende Durchdringung der Baumasse angestrebt wird, zeichnen sich die Bauten im deutschen Raum durch den Zusammenklang von Wandgeschlossenheit einerseits und Gliederreichtum andererseits aus. Einzelne französisch-gotische Formenelemente (Rundgliederbildung) werden übernommen, nicht aber der Geist der nordfranzösischen Vorbilder (Limburg, Bamberg, Magdeburg). Fotografie des Limburger Doms innen von unten an den Säulen entlang zum Gewölbe. Innenansicht des Limburger Doms. Noch vor der Mitte des 13. Jh. wurde mit der Liebfrauenkirche in Trier (1227-43) und der Elisabethkirche in Marburg (1235-83) der Grundstein zu den ersten gotischen Kirchenbauten auf deutschem Boden gelegt. Sicherlich der geographischen Nähe zu Nordfrankreich hat die Liebfrauenkirche in Trier ihre konsequent rundgliedrige Wandstruktur zu verdanken, die den gotischen Wesenszug der Raumdurchlässigkeit und Baukörperentschwerung zeigt. Allerdings stehen diese Eigenschaften nicht im Einklang mit der streng durchgeführten Zentralisierung der Kirche. Farbiges Gemälde der Liebfrauenkirche in Trier aus dem 19. Jahrhundert. Kreuzgang der Liebfrauenkirche zu Trier. Gemälde aus dem 19. Jahrhundert von Adolf Wegelin. Als gelungene Synthese französischer und deutscher Bauprinzipien kann die Elisabethkirche in Marburg gesehen werden. Die Gliederungsform des Kleeblattchors (Dreikonchenchor) mit einer dichten Folge von zwei Fenstergeschossen und hochgeführten Strebepfeilern, die Längsstreckung des Schiffes und die Steilung der Gewölbeträger zeigen französisch-gotische Prinzipien und werden verbunden mit der benachbarten westfälischen Architektur des Hallensystems, das die Seitenschiffe auf die Höhe des Chors bringt und zur Raumvereinheitlichung führt. In den beiden Bauten zeichnen sich Formtendenzen ab, die in der deutschen Hochgotik maßgeblich wurden und eine weite Verbreitung finden. Allen voran steht das Vereinheitlichungsstreben. Fotografie des Limburger Doms innen von unten an den Säulen entlang zum Gewölbe. Nordostansicht der Elisabethkirche in Marburg. Unbekannter Künstler zwischen 1826 und 1850. Hochgotik Um die Mitte des 13. Jh. war die Entwicklung des Kirchenbaus in Deutschland in ein neues Stadium getreten. Das Verständnis französischer Gotik war nun vorhanden und das Anknüpfen an nordfranzösische Kathedralen war somit möglich. Dies wurde schon durch die Elisabethkirche in Marburg angekündigt, vielmehr aber nun im Kölner Dom und dem Langhaus des Straßburger Münsters (1250-75).
Mit dem Neubau des Kölner Doms 1248 erhielt Deutschland eine Kathedrale auf ihrer reifsten Stufe, so entspricht der fünfschiffige Grundriss mit dreischiffigem Querhaus und Kapellenchor, der dreizonige Aufbau und das voll ausgebildete Strebewerk dem Typus der hochgotischen nordfranzösischen Kathedrale in Form einer Basilika. Auch das 1250-75 ausgeführte Langhaus in Straßburg folgte der nordfranzösischen basilikalen Kathedralgotik mit aufgelöster Wand und verglastem Triforium. Holzstich des Straßburger Münsters aus dem 17. Jahrhundert. Außenansicht des Straßburger Münsters. Holzstich von Wenzel Hollar. 17. Jahrhundert. Beide Bauhütten, die Kölner und Straßburger, strahlten sehr weit aus und führten zu Adaptionen an örtliche Baumuster, aber auch zu selbständigen Abwandlungen der Bauhüttenmuster. Spätgotik Den nachfolgenden Bauten von Straßburg und Köln fehlte der Überschwang, es wurden schlichtere Formen angestrebt und das hochgotische System wurde reduziert. Dies ist die sogenannte Phase der „deutschen Sondergotik“ oder auch „Reduktionsgotik“, die sich im 14. und 15. Jh. in Deutschland entwickelt. Unter die Eigenschaften der Reduktionsgotik fallen die Hallenkirchen, die Bettelordenskirchen und die Backsteinbauten (Norddeutsches Küstengebiet, Süddeutschland). Die Reduktionen äußern sich im Wegfall des Chorumganges, des Kapellenkranzes sowie des Triforiums, anstelle von Pfeilerbündeln treten Rundpfeiler und Achteckpfeiler und die Basilika wird durch Angleichung der Schiffshöhen zur Hallenkirche, wodurch auf freistehendes Strebewerk verzichtet wird, zudem weicht der Doppelturmfassade die Einturmfassade und es gibt einen weitgehenden Wegfall der Wimperge. In der Spätgotik treten neben den Reduktionen aber auch Bereicherungen auf, die sich in komplizierten Formen der Gewölbe, Dienste und Rippen äußern (Stern-, Netz-, Schlinggewölbe und spiralenförmige Pfeiler). Bauliche Entwicklungen Hallenkirchen der Spätgotik Durch die Form der Hallenkirche kommt es zu einer einheitlichen Raumwirkung, da die Schiffe auf einer Höhe liegen. Die Seitenschiffe sind ebenso nur wenig schmaler oder sogar gleichbreit wie das Mittelschiff, die Anzahl der Schiffe bewegt sich zwischen 3-5 Schiffen, im Rheinland und in Österreich sind die Kirchen oft nur 2-schiffig, meist entfällt auch das Querschiff. Die Chorgliederung aus polygonalen Einzelapsiden wird im 15. Jh. zu einem alle Schiffe umfassenden Chorpolygon vereinheitlicht.Die Gewölbe dienen gleichfalls zur Vereinheitlichung, so verwischen Stern- und Netzgewölbe, sowie fehlende Quergurte die Grenzen der Joche. Eine späte Gewölbeform in Österreich, Böhmen und Sachsen bilden die „gewundene Reihungen“, die aus Schlinggewölben ohne tragender Funktion bestehen. Ohne tragende Funktion sind auch die manchmal auftretenden frei durch den Raum gespannten Rippen. Die Pfeiler sind sehr dünn und reichen bis ins Gewölbe, sie sind durch wenige Hohlkehlen gegliedert und in großen Abständen zueinander. Meistens fehlen Kapitelle und Kämpfer. Die Dachformen sind regional unterschiedlich, es gibt drei verschiedene Dachlösungen für die Schiffe. Vorwiegend in Süddeutschland gibt es riesige Satteldächer über allen Schiffen (Einheitsdach), hierfür gibt es aber auch norddeutsche Beispiele (Prenzlau, Hannoversch Münden). In Nordwest-Deutschland treten Paralleldächer über den einzelnen Schiffen auf und in Westfalen, an norddeutschen Bettelordenskirchen und im Gebiet der Ostkolonisation findet sich die Dachlösung mit Querdächern über den Seitenschiffen. Backsteinbauten Die Backsteinbauten finden seit dem 13. Jh. ihre Verbreitung. In Deutschland sind sie im norddeutschen Küstengebiet, in Lübeck und im Osten Deutschlands (Mark Brandenburg), sowie in Süddeutschland zu finden. Bei den Bauten handelt es sich hauptsächlich um Hallenkirchen ohne Strebewerk, oftmals mit Einsatzkapellen. Basiliken sind seltener, es kommen auch einschiffige Dorfkirchen vor. Die frühen Bauten sind monumental-wuchtig und weniger gegliedert. In der Spätgotik werden die gotischen Zierformen in Backstein übertragen (Maßwerk, Fensterrose, Fiale, Krabbe, Baldachin, Kreuzblume, Kapitelle, Wimperge). Ebenso kommt es in spätgotischer Zeit zu einer Verwendung von Formsteinen. Glasierte Backsteine werden verwendet, die oft im Schichtenwechsel zu den Rohsteinen stehen und es entstehen Friese durch ornamentisierte Terrakottaplatten. Durch Staffelung von Formsteinen werden tiefePortal- und Fensterprofile erzielt. Die Mauern sind nicht stark durchbrochen, oftmals wird eine Blandarchitektur in spitzbogig geschlossenen Lisenen-Zwischenräumen verwendet. Sternengewölbe entwickeln sich zu einem Hauptmotiv der deutschen Sondergotik.
Die Bettelordenskirchen bilden einen eigenen Typus in der gotischen Architektur, sie sind die Kirchen der Franziskaner (Minoriten, Barfüßer) und Dominikaner. Sie gründeten ihre Niederlassungen in den 20er Jahren des 13. Jh., im dritten Viertel des 13. Jh. begannen sie, eigene Kirchenbauten zu errichten. Ihr Bauprogramm ist von Askese und Bedürfnislosigkeit geprägt. Das Armutsideal entspricht dem Wegfall des Querhauses, des Triforiums und der Türme (nur ein Dachreiter) und nur sparsame Verwendung von Bauschmuck. Hierbei gibt es verschiedene Typen: Die gewölbte Basilika, oft mit der Neigung zur Halle (vorwiegend Doninikaner, auch Franziskaner); Die flachgedeckte Basilika mit wenig überhöhtem Mittelschiff (vorwiegend Franziskaner, Oberdeutschland, Mitte des 13. bis zum 14. Jh.); die gewölbte Hallenkirche (Franziskaner, Dominikaner); sowie die einschiffige Saalkirche.