Glossar

Hier entsteht eine Sammlung von Fachbegriffen aus Geschichte, Kunstgeschichte, Archäologie und verwandten Wissenschaften. Als Quellen wurde vor allem das Glossar der Internetseite Regionalgeschichte.net, eigene Recherchen und Internetseiten anderer Bearbeiter genutzt.

Die Barbarossa-Stiftung dankt dem Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V. für die freundliche Genehmigung der Nutzung der Daten.

Vorschläge für Ergänzungen und Verbesserungen nehmen wir gerne entgegen.

 

 


Historische Fachbegriffe

Tjost

Tjost

Tjost

Kampfart im Turnier

Als Tjost bezeichnet man den Lanzenkampf von zwei Reitern in voller Rüstung. Das Wort Tjost hat sein Ursprung im lateinischen "justa", was soviel wie rechtmäßiger Kampf bedeutet. Im frühen Mittelalter wurden strittige Gerichtsfälle nicht selten in einem Zweikampf entschieden. Der Ritter forderte seinen Gegner über einen Mittelsmann zum tjostieren auf: Er beauftragte entweder einen Turnierherold, oder er schickte seinen Knappen.

In Norddeutschland, den Niederlanden und in England griff man im 13. Jahrhundert bei der Herausforderung des Gegners auf die am Hofe des sagenhaften König Artus' übliche Zeremonie zurück: Man berührte den am Wappenbaum hängenden Schild des Gegners mit der Lanzenspitze.

Wurde die Aufforderung angenommen, stellten sich beide Ritter zur ersten Runde des Tjostes in gewisser Entfernung zueinander in der Kampfbahn auf. Die Entfernung betrug zwischen 200 und 300 Schritten. Wer die Lanze sicher zu führen verstand, wählte einen langen Anlauf, der besonders wirkungsvoll war. Mit dem Aufkommen der schweren Ritterrüstungen wurden sicheres Reiten und Zielen mit der Lanze immer schwieriger und die Kämpfenden zogen einen kürzeren Anlauf vor.

Die Ritter setzten die Helme auf, schlossen die Visiere und sprengten mit eingelegter Lanze aufeinander zu. Die anfänglich spitzen Lanzen wurden mit der Zeit zunehmend gegen stumpfe Lanzen ausgetauscht, um die oft lebensgefährlichen Verletzungen zu vermeiden. Ziel des Zweikampfes war es nämlich, den Gegner mit der Lanze zu treffen und aus dem Sattel zu heben. Wer fiel, hatte den Kampf verloren.

Geübte Lanzenkämpfer wendeten den schwierigen Kinnstoß an. Gelang es ihnen, den Hals des Gegners zu treffen, wurde er betäubt und stürzte rückwärts vom Pferd. Einfacher war es, einen Stoß "zu den vier Nägeln" zu versuchen, d.h. auf den mit Eisenbeschlägen verstärkten Schildbuckel zu zielen. Hierbei war es besonders wichtig, eine möglichst große Stoßkraft im Moment des Aufpralls zu erreichen. Deshalb ließ man das Pferd zunächst nur galoppieren, um kurz vor dem Zusammenprall in die Karriere überzugehen, d.h. das Pferd zur schnellsten Gangart anzutreiben. Meist zersplitterte zwar die Lanze, aber der frontale Stoß fegte den Gegner dennoch aus dem Sattel.

Um den Reitern einen festeren Halt auf ihren Pferden zu geben, wurden aus diesem Grund die Sättel der Turnierpferde erhöht (Hohenzeugsattel). Es war aber verboten, sich am Pferd in irgendeiner Weise festzuschnallen, um das Herunterfallen zu verhindern.

Es gehörte zu den Turnierregeln, dass man den direkten und gefährlichen Zusammenprall mit dem Gegner und seinem Ross vermied und nach dem Lanzenstoß das Pferd nach rechts lenkte. Das Überreiten des Gegners galt als unritterlich. Trotzdem kam es häufig zu solchen Zusammenstößen. Deshalb wurden hölzerne Barrieren, die sog. Schranken (Planken, Pallia), errichtet, welche die beiden vorpreschenden Reiter voneinander fernhielten.

Dieses "Stechen über die Planke" wurde auch als Welsches Stechen bezeichnet. Da die Lanzen jetzt nicht mehr frontal, sondern "nur" noch in einem Winkel von ca. 75 Grad den Körper des Gegners trafen, reduzierte sich die Wucht des Stoßes spürbar.

Es war auch verpönt, auf das Pferd zu zielen Da es wohl doch häufig geschah, war der Kopf des kostbaren Turnierpferdes von einer stählernen oder ledernen Rossstirn, der Brustbereich von einem speziellen Panzer, dem Fürbug, geschützt. Untersagt war es auch, dem Gegner in die Zügel oder das Zaumzeug zu greifen. Brachte ein Ritt nicht den gewünschten Erfolg, wurde ein neuer Anlauf eventuell mit einer neuen Lanze unternommen.

Ulrich von Lichtenstein soll am 1.5.1224 an einem Tag 30 Lanzen verstochen und am nächsten Tag gegen sechs Gegner nochmals 25 verbraucht haben. Von Gahmuret heißt es im Parzival, er habe an einem Tag 100 Lanzen benötigt. Viel Glauben kann man diesen Angaben nicht schenken, es handelt sich dabei wohl um eine der üblichen mittelalterlichen Übertreibungen, die dem Leser verdeutlichen sollte, dass die Kämpfer über Stunden vollen Einsatz bringen mussten.

Wenn das Stechen keinen Erfolg brachte oder beide Ritter vom Pferd gefallen waren, konnte der Kampf zu Fuß weitergehen. Dann hieb man mit Schwertern aufeinander ein, bis einer der beiden Ritter erschöpft aufgeben musste. Er verließ die Kampfbahn oder nahm den Helm ab und gab damit zu verstehen, dass er nicht weiterkämpfen wollte.

(Text: Stefan Grathoff)

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